1. Die Beziehung zum Kind stärken
Auch wenn man eher erwartet hätte, dass hier als erstes über ADHS als Krankheit gesprochen wird, möchte ich mich zunächst einem Kapitel widmen, welches die meisten Leser zunächst nicht als ersten Punkt erwartet hätten: Die Beziehung zwischen Eltern und ADHS-Kind, genauer gesagt: die oft bereits zerrüttete oder zumindest sehr angespannte Beziehung. Denn sehr oft leidet
die Beziehung zwischen Kind und Eltern bei ADHS in ganz besonderem besonderem Maße. Nirgendwo
aber wird gerade umso mehr eine gute und stabile Beziehung zwischen Kind und
Eltern benötigt. Das Kind braucht um Ruhe zu finden einen sicheren Hafen. Es
fehlt ihm in seiner Konstitution an Orientierung, Behaglichkeits- und
Geborgenheitsgefühl. Das ist einfach so und muss nicht unsere Schuld sein.
Dies stellt
dennoch uns Eltern manchmal vor wirkliche Herausforderungen. Wo das ADHS Kind
doch stets unbequem, unharmonisch, ungezogen, widerspenstig zu sein scheint.
Nicht selten fühlt man sich als Eltern davon persönlich angegriffen.
Henning Köhler
gibt in seinem Buch:“ Von ängstlichen, traurigen und unruhigen Kindern"
wertvolle Hinweise. So können wir einmal versuchen uns in die Situation des
Kindes hineinversetzen, mit der Vorstellung, dass sich das Kind in seinem
Körper unwohl fühlt und dem versucht mit Bewegung und Unruhe zu entkommen. Köhler
schlägt den Eltern eine abendliche Meditation vor, um die Not des Kindes besser
zu verstehen und es liebevoll ins Herz auf zu nehmen. "Beschäftigen Sie
sich möglichst ohne Wehleidigkeit mit der besonderen Problematik Ihres Kindes.
Stellen Sie dabei weniger in den Vordergrund, was Ihnen persönlich, den
Nachbarn oder Lehrern Scherereien macht, als vielmehr die Frage, womit sich das
Kind selbst Leid zufügt. (....) Sie können und werden dann einen Punkt
erreichen, wo Sie EMPFINDEN: "Ich VERSTEHE die Not meine Kindes".
Eine solche
Meditationspraxis kann betroffenen Eltern helfen sich von dem Gefühl des
Persönlich-Angegriffen-Seins durch das Verhalten des ADHS-Kindes im Alltag zu
lösen.
Betroffene Eltern
sollten dem ADHS-Kind so oft es geht versuchen das Gefühl zu geben, dass es
erwünscht und geliebt ist. Trotz aller Schwierigkeiten. In liebevollem Kontakt
bleiben ist die wichtigste, zuweilen aber auch schwierigste Aufgabe der Eltern.
2. Konsequenz, Leitlinien, Regeln und
Unterstützung
ADHS-Kinder
benötigen Konsequenz in der Erziehung, Leitlinien und Regeln. So blöd wie das
klingt, denn wir sind ja alle modern und wollen lieber nicht so autoritär sein
und unser Familienleben sollte doch lieber auf der Basis von Kooperation, denn
auf Strenge beruhen.
Aber das geht mit
ADHS-Kindern nur begrenzt. Im Gegenteil. Wir überfordern das Kind und uns
selbst. Das Kind zieht sich beispielsweise nicht an, weil es immer wieder auf
etwas anderes kommt. Seine Aufmerksamkeitsspanne, seine Fähigkeit an einem
Thema dran zu bleiben, reicht einfach nicht aus. Ggf. will es, aber es kann
einfach nicht. Es hilft in so einem Fall wenig von ferne zu rufen "Zieh
Dich endlich an!!!". Ein ADHS-Kind benötigt ggf. viel länger
Unterstützung, als ein 'normales' Kind seines Alters. Dies gilt es zu akzeptieren.
Ohne Wut auf das Kind. Es kann nicht anders. Also könnte die Unterstützung so
aussehen, dass die Eltern das Anziehen begleiten, ggf. die Kleider in der
richtigen Reihenfolge vorbereiten.... etc und anschließend fürs Gelingen loben.
Während des Anziehvorgangs sollte dann aber auch keine Ablenkung zugelassen werden
und leider klar - macht das Kind nicht mit, muss das Konsequenzen haben.
Die Konsequenzen sollten
vorher bekannt sein und sie müssen immer dieselben sein, dürfen nicht wahllos
sein. Damit fühlt das Kind sich nicht unfair behandelt und noch viel wichtiger:
Die Erwachsenen kommen nicht in einen Zustand der Hilflosigkeit und Wut. Der
Tonfall während der ganzen Aktion kann dadurch freundlich bleiben, dass
alltägliche Drama bleibt aus, die Beziehung zum Kind bleibt bestehen.
3. Schutz des Kindes vor zu vielen Einflüssen und
Überforderung
ADHS-Kinder
können sich nicht so abgrenzen, wie wir das ggf. können. Alle Eindrücke brennen
sich gleichsam in das Kind ein. Machen es unruhig - später abgestumpft und
vielleicht sogar süchtig nach derartigen Eindrücken.
Das A und O ist
daher ein geregelter Tagesablauf und Schutz vor Fernsehen, Playstation,
Computerspielen, Musikvideos mit schnellen Schnitten (haben sie ja eigentlich
alle), zu viele Termine am Tag etc.. Auch wenn es noch so verlockend ist. Denn
vorm Computer oder Fernseher sind diese Zappelkinder ja ausnahmsweise ruhig.
Die Eltern könnten einen kurzen Moment durchatmen. Doch der Schein trügt. Das
Kind ist vorübergehend lediglich förmlich ‚abgeschaltet’. Die Eindrücke aber brennen
sich ein, der nur aufgeschobene Bewegungsdrang kommt danach umso stärker. Oder
habt Ihr schon mal erlebt, dass ein ADHS-Kind nach längerem Fernsehen friedlich
und entspannt ist?
Selbst Ritalin
(mal von allen Nebenwirkungen abgesehen) kann einem Kind nicht helfen, wenn man
es vorm Fernseher sitzen lässt. Die Eltern
sollten sich immer vor Augen halten, dass das ADHS-Kind besonders schutzbedürftig
ist, da es sich nicht so abgrenzen kann, wie andere. Ebenso muss man
sich vor einer Überforderung hüten. Gerichtetes Aufmerksamkeitstraining und
Sport sind gut - aber nicht 4 Termine die Woche.
Dazu sehr passend
ein Artikel aus der Welt:
„Zappelphilippe
haben hohes Risiko für MediensuchtOb Fernsehen, Internet-, oder Videospiele: Junge ADHS-Patienten sind viel anfälliger für exzessiven Medienkonsum als andere Kinder.
Kinder mit der Aufmerksamkeitsstörung ADHS sind nach Einschätzung von Ärzten besonders anfällig für Mediensucht. Der exzessive Konsum von Fernsehen, Internet- und Videospielen sei bei ihnen dreimal so stark ausgeprägt wie bei anderen Kindern, sagte der Arzt Klaus Skrodzki (Forchheim) auf einem Kongress für Jugendmedizin in Weimar.
„Fernsehen mit ständigen Bild- und Tonwechseln und Computerspiele fördern die Störung.“ Teenager mit einer Aufmerksamkeitsstörung neigen demnach auch eher als ihre Altersgenossen zu Nikotin- und Alkoholsucht. „Und sie zeigen deutlichere Entzugserscheinungen“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft ADHS der Kinder- und Jugendärzte.
Laut Skrodzki reagieren Kinder mit ADHS sehr viel impulsiver auf Reize. „Sie greifen etwa sofort zu, wenn ihnen eine Belohnung geboten wird.“ PC-, Internet- und Videospiele böten ihnen permanent Reize und sofortige Belohnung.
Das Problem beim regelmäßigen Computerspiel für ADHS-Kinder sei, dass diese sehr rasch gute Fertigkeiten im Erkennen von Nebensächlichkeiten entwickelten, sagte der Experte. Damit werde aber das Grundproblem bei der Störung verstärkt.
„Sie können ja ohnehin schon Nebensächliches nicht von Wichtigem unterscheiden. Und mit Videospielen trainieren sie ihre Aufmerksamkeit für das Falsche.“ Die Eltern sind nach Beobachtungen des Mediziners häufig Teil des Problems, wenn sie ihre Kinder zur Ablenkung vor das Fernsehgerät oder den Computer setzen.
Noch bedenklicher sei es, dass bereits bei Vorschulkindern ein eigener Fernseher im Kinderzimmer stehe. Auch Computerspiele in Kindergärten richteten bei von ADHS betroffenen Kindern eher Schaden als Nutzen an. An dem vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte veranstalteten Kongress in Weimar nehmen noch bis Sonntag rund 500 Fachleute teil.
Am Samstag wurde der mit 5000 Euro dotierte Preis für Jugendmedizin an den Aachener Verein „Kinderseele“ verliehen. Der Verein kümmert sich um psychisch kranke Kinder und deren Eltern. Schwerpunkt der Tagung sind die gesundheitlichen Auswirkungen von Fernseh- und Computer-Dauerkonsum bei Kindern und Jugendlichen.“
Artikel
erschienen am 18.03.2011
dpa/sts
4. ADHS-Kinder sind Power-Kinder
ADHS-Kinder sind
Power-Kinder. Also lasst sie powern. Sucht nach einer Sportart, in der sich das
Kind ordentlich austoben kann. Der Rekordschwimmer Phlebs leidet an ADHS und
bekam dies mit Schwimmen in den Griff. Können Sich ADHS-Kinder nicht auspowern, richtet sich die Power in Unruhe nach innen und in Aggression nach außen (Bei Mädchen im übrigen – was kaum einer weiß - entstehen im späteren Verlauf der Erkrankung eher Depressionen, als nach außen gerichtete Aggression).
Anbei einer der vielen Artikel über Phleps, den Schwimmer:
http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/2399325_0_6647_-nervenkrankheit-adhs-mit-der-stoerung-leben-lernen.html
5. Aufmerksamkeitstraining
Aufmerksamkeit
kann erlernt werden. Das kann das Kind verhaltenstherapeutisch z.B. in einer
Ergotherapie lernen. Wer die Kraft aufbringt, kann das als Elternteil selber tun.
Z.B. mit einem regelmäßigen Mühlespiel - sofern es dem Kind Spaß macht. Oder mit
Basteln etc..Manchmal kann es aber gut tun, wenn ein außenstehender und
unvorbelasteter professioneller Therapeut das Aufmerksamkeitstraining (mit-)übernimmt.
6. Verhaltenstraining / Wuttraining
ADHS-Kinder
reagieren oft mit Wut auf Aktionen/ Reaktionen anderer. Und dazu kommt noch,
dass ihnen durch ihr Verhalten viel Wut entgegen gebracht wird. Ein
Teufelskreis aus Ablehnung, Enttäuschung und Wut entsteht.Es kann helfen, dem Kind Anleitungen zu geben, was man statt wütend brüllen, treten, ausrasten… alternativ tun kann. Z.B. tief durchatmen und erst einmal spüren, was da innen eigentlich los ist: Bin ich gerade traurig? Kann ich das irgendwie anders zum Ausdruck bringen?
7. Ergotherapie/ Motopädie
Obwohl
ADHS-Kinder einen großen Bewegungsdrang haben und diesem auch bei jeder
Gelegenheit nachgehen, bestehen dennoch oft motorische und oder sensuelle
Defizite. Die Kinder scheinen ihren Körper nicht recht innerlich aus zu füllen.
Anthroposophisch gesprochen sind Äther- und Astralleib in ihre physischen Hülle
noch nicht harmonisch ‚eingewachsen’. Die Kinder spüren nicht genau, wo ihr
Körper anfängt und wo er aufhört. Ebenso hat das ADHS-Kind oft Schwierigkeiten
mit Balance, Lageempfinden und sensuellen Wahrnehmungen. Kombiniert mit der
Unruhe führt dies zu vielen Verletzungen des Kindes selbst, oder zu Unfällen
mit anderen und ‚Bruch’ in der Wohnung. Vor allem wenn noch Wut im Spiel ist.
Ein ADHS-Kind erzählte mir einmal: „Wenn in der Klasse irgendwas passiert oder
daneben geht, bin immer ich das, dem das passiert. Mir passieren die Dinge
immer einfach so. Ich will das gar nicht.“
Da das Glas am
Abendbrottisch nahezu täglich, ggf. sogar mehrmals umfällt, ist Stunk an der
Tagesordnung. Frust für die ganze Familie. An diesem Punkt kann relativ einfach
Abhilfe geschaffen werden. Eine regelmäßige Ergotherapie, bzw. Motopädie kann
dem Kind helfen, seine Defizite in diesem Bereich auf zu holen. Ein guter
Therapeut bezieht auch immer die Eltern mit ein und gibt Anleitungen, Tipps und
Tricks für den Alltag.
8. Das gute Vorbild
Bei allem
Gesagten zählt das gute Vorbild. Schreien die Eltern das Kind oft wütend an,
kann man nicht erwarten, dass es dies nicht auch tut. Das ADHS-Kind ist also
auch Therapeut der Eltern. Unser Therapeut, der es uns ermöglicht uns auch im
Erwachsenenalter noch weiter zu vervollkommnen und an unseren Schwächen zu
wachsen. Dies erfordert allerdings unseren wirklichen Willen Schattenarbeit zu
leisten. Integrale Lebenspraxis ist z.B. ein guter Weg für Schattenarbeit.
9. Die Stärken des Kindes sehen
So problematisch
ein ADHS-Kind auch ist - es hat immer auch besondere Stärken und Talente. Die
Eltern des Kindes sollten ganz bewusst nach diesen Stärken suchen, sie sich vor
Augen führen und liebevoll wertschätzen. Und das Kind regelmäßig dafür loben. Man
sollte immer im Hinterkopf haben, wie schwer es ein ADHS-Kind hat. Diese Kinder
ecken ständig überall an. Diesem stetigen Gefühl der Unzulänglichkeit sollten
die Erwachsenen entgegen wirken, indem sie das Selbstbewusstsein des Kinde
regelmäßig stärken.Häufig fehlt den Körper aber auch Magnesium – das Salz der Ruhe. Ebenfalls helfen kann Omega3. Auch ist eine Analyse der Aminosäuren im Blut oder Urin zu empfehlen. Nicht selten ist z.B. die Aminosäure Tryptophan erniedrigt. Aus Tryptophan bastelt sich der Körper den Neurotransmitter Serotonin. Und Serotonin macht ruhig, glücklich und ausgeglichen.
Die Orthomolekulare Therapie sollte aber nicht in Eigenregie, sondern von einem Arzt oder Heilpraktiker mit Fachrichtung Orthomolekulare Medizin durchgeführt werden, da i.d.R. höhere Dosierungen erforderlich sind, die einer stetigen Laborkontrolle bedürfen.
11. Medikamentöse Therapie
Manchen Kindern
hilft neben der Orthomolekularmedizin (siehe Punkt 10) die klassische
Homöopathie weiter. Wichtig ist, dass der Behandler eine ausführliche Anamnese
durchführt und danach sorgfältig ein Konstitutionsmittel für die Kind aussucht.
Für gewöhnlich wird dies dann in einer Hochpotenz verabreicht. Genauso wichtig
wie die erste gründliche Anamnese ist die weitere Begleitung. Alle 6 – 8 Wochen
sollte eine erneute Vorstellung beim Behandler erfolgen, bei der die weiteren
Schritte und Medikamentationen besprochen werden.
Wenn die
beschriebenen Punkte 1 – 10 von oben optimal bearbeitet werden, das Ergebnis aber
dennoch nicht befriedigend ist, so halte ich einen Versuch mit den üblichen
schulmedizinischen Mitteln wie Ritalin für vertretbar. Nicht befriedigend heißt
hier für mich: Das Kind kann nicht Kind sein, kommt in der Schule nicht mit,
die Beziehung zu den Eltern ist zerrüttet, alle sind am Ende. Klar: Ritalin und
Kind vorm Fernseher versauern lassen – das geht gar nicht zusammen. Und auch
klar: Ritalin hat Nebenwirkungen. Von Patient zu Patient unterschiedlich stark.
Dennoch: Für manch ein Kind, bei dem sonst alles versagt, bzw. zu keinen
befriedigenden Ergebnissen führt, kann Ritalin dann eine erste echte Chance zu
einem einigermaßen normalen Leben sein. Schließt diese Chance, wenn sonst nix
geht, bitte nicht von Anfang an kategorisch aus. Ihr dürft mit Euch selbst
gerne so dogmatisch sein wie Ihr wollt. Nicht aber bei Eurem Kind. Da sind
Lösungen gefragt.
Beschäftigt man sich als Eltern jedoch ausführlich mit den Punkten 1 – 10 und wenn man ADHS als einen Prozess auffasst, an dem alle zu arbeiten haben, dann ist die Verabreichung von Medikamenten weitaus weniger vonnöten, als derzeit in Deutschland und Europa praktiziert.
Nicola Hirsch, Medizinjournalistin, Heilpraktikerin Bonn im Feb.
– März 2011,
Autor: Nicola Hirsch bei Google Plus,